Es ist unser fünfter Tag auf dem Feld. Der Tag begann mit der Ankunft großer Gruppen von Geflüchteten am Kontrollpunkt Pazarkule in der Dunkelheit, bis zum Nachmittag kamen immer mehr an.
Gegen 9.30 Uhr hörten wir die Geräusche von Maschinengewehren, die von der griechischen Seite kamen, gefolgt von den Sirenen der Krankenwagen, die in die Zone hinein- und hinausfuhren. Wir hörten noch eine halbe Stunde lang Schüsse. Als wir uns vor unserem Lieferwagen versammelten, war der Kontrollpunkt bereits voll mit Fahrzeugen von Journalist*innen, von denen die meisten mit der Nummer 34 beginnende Nummernschilder hatten. Um 11.30 Uhr kam die Menschenrechtskommission des Parlaments der TR (TBMM) aus den Gebieten, in denen sich die Geflüchteten aufhielten, am Kontrollpunkt an und gab eine Presseerklärung ab.
Um 15:00 Uhr wurde es am Kontrollpunkt chaotisch. Polizeibeamte verfolgte Gruppen von Geflüchteten, die versuchten, den Kontrollpunkt zu erreichen, indem sie die polizeilichen Sperren überwinden wollten, während eine andere Gruppe über die leeren Felder in Richtung Grenze ging. Auf der anderen Seite versammelten sich auch Geflüchtete am Tor und versuchten, den Kontrollpunkt zu passieren, und die Journalist*innen versuchten, Bilder dieser chaotischen Situation festzuhalten.
Zivilbullen haben zunächst die Journalist*innen und dann alle anderen Nicht-Geflüchteten vom vorderen Teil des Kontrollpunktes weggebracht, an dem wir uns auch befanden. Alle nicht migrierten Personen, einschließlich uns, wurden mit ihren Fahrzeugen aus dem Gebiet hinausgeworfen, bis zu einem Ort neben der Süleyman-Demirel-Wissenschaftsschule, die 1 km von Edirne entfernt war. Da wir erkannten, dass dies kein geeigneter Ort war, um mit Geflüchteten in Kontakt zu treten, verließen wir dieses Gebiet.
Nachdem wir unsere Fahrzeuge in Karaağaç geparkt hatten, gingen wir zu Fuß zurück zu dem Gebiet, aus dem wir rausgeworfen wurden, und sprachen mit dem Polizeichef, um unseren Wagen wieder an die gleiche Stelle zurückzubringen. Sie erlaubten uns dies jedoch nicht, da sie behaupteten, es gäbe einen Befehl des dortigen Gouverneurs. Es gab nur die Sicherheitskräfte und nur einige wenige Migranten, die versuchten, die Grenze zu erreichen. Es gelang uns, mit dem regionalen Verantwortlichen für die Migrationssteuerung telefonisch zu sprechen, und er sagte, dass sie die Suppe nehmen und über die AFAD (Humanitäre Organisation der Regierung) und die Migrationssteuerung an den Kontrollpunkt bringen würden, wenn wir sie vorbereiten würden. Aber wir lehnten das Angebot ab, weil die Suppe für uns ein Mittel war, um uns mit den Geflüchteten zu verbinden, zu kommunizieren und einen gemeinsamen Raum zu schaffen, wenn auch nur kurz.
In der Zwischenzeit erhielten wir die Information, dass auf der Edirne-Seite der Tunca-Brücke eine Gruppe von Geflüchteten wartete. Wir fuhren dorthin, um uns die Situation anzusehen. Vom Ende der Brücke aus konnten wir etwa 200-300 Personen sehen. Einige von ihnen saßen in Zelten, andere saßen auf Plastikstücken und versuchten, sich an einem Feuer zu wärmen. Wir stellten fest, dass es sich um eine mögliche Provokation handelte, da die Polizei kaum präsent war und sich das Gebiet innerhalb der Stadt befand. Tatsächlich brach kurz nach unserer Ankunft an diesem Ort ein Kampf zwischen den Jugendlichen aus Edirne und den Geflüchteten aus Gründen aus, die wir nicht ganz verstehen konnten. Die Gruppe aus Edirne, die die Aggressoren waren, verließ das Gebiet nach dem Polizeieinsatz.
Es gab Geflüchtete, die seit 4-5 Tagen in diesem Gebiet gewartet hatten, und es gab auch andere, die erst an diesem Tag kamen. Nachdem wir mit ihnen gesprochen hatten, beschlossen wir, dass dies ein geeigneter Ort war, um eine Küche einzurichten. Während wir dort waren, sahen wir, wie die Polizei versuchte, die Geflüchteten in die Busse zu drängen, die sie nach Pazarkule bringen sollten.
Als es spät in der Nacht zu regnen begann, wurden wir wieder einmal Zeuge, wie ausgeliefert die Geflüchteten solchen Wetterbedingungen waren. Obwohl sie anschließend unter dem Dach des nahe gelegenen Marktplatzes Schutz suchten, bestand ein dringender Bedarf an trockener Kleidung, da sie vom Regen völlig durchnässt waren. Es gab eindeutig keine Struktur, um auf diese Umstände zu reagieren. Wir konnten uns lediglich die Plastiktüten und Abdeckungen teilen, die wir hatten. Wir beobachteten die Unzulänglichkeit und Unfähigkeit der AFAD und des Migrationsmanagements.
Der Bus, den unser Freund aus Istanbul nahm, um sich unserer Gruppe anzuschließen, wurde 40 Kilometer nach Edirne von der Polizei angehalten. Ohne Ausweiskontrolle wurde den Passagieren, die “für Migranten gehalten wurden”, befohlen, den Bus zu verlassen. Später fanden wir heraus, dass sie von der Polizei in verschiedenen Bussen nach Pazarkule gebracht wurden.
Nach dieser Zwischenschaltung hielten verschiedene Polizeieinheiten den Bus noch zweimal an, und durch dasselbe Verfahren sorgten sie dafür, dass noch mehr Menschen ausstiegen. Die Informationen, die wir erhalten hatten, legten nahe, dass dies eine übliche Praxis für alle Überlandbusse war, was bald von den Leuten, die später in der Zone ankamen, bestätigt wurde.
No Border Pazarkule/Edirne