5 März 2020 Pazarkule/Evros Tag 6

Wir sind nicht mehr in Pazarkule. Aber wir stehen noch immer in Kontakt mit den Menschen, die wir in den ersten Tagen in Pazarkule kennen gelernt haben. In dem Dorf Karaağaç trafen wir einen befreundeten Geflüchteten, den wir zuvor kennen gelernt hatten. Er sagte, sie könnten problemlos am Kontrollpunkt in Pazarkule ein- und ausreisen. Er berichtete aber, dass das Fehlen von Toiletten, Hygieneprobleme und 2 km lange Schlangen für Lebensmittel die Hauptprobleme seien, mit denen die Geflüchteten zu kämpfen hätten.

Wir erhielten Informationen, dass die griechischen Behörden in der Gegend von Uzunköprü in den Gebieten um die Grenzdörfer Gewalt anwenden und die Flüchtlinge nackt zurückschicken. Wir erfuhren, dass bei vielen Menschen, die die Grenze überquerten, Telefon, Geld, Schuhe und manchmal auch Kleidung von den Behörden beschlagnahmt wurden. Deshalb beschlossen wir, nach Uzunköprü umzuziehen. Es war bereits 20:00 Uhr abends.
Während unserer Reise erhielten wir einen Anruf von unseren Freund*innen, die gerade im Dorf Kiremitçisalih am Ufer des Flusses Meriç angekommen waren, und teilten uns mit, dass dort etwas im Gange sei. Also änderten wir unverzüglich unsere Richtung, um uns ihnen dort anzuschließen. Noch während wir unterwegs waren, riefen unsere Freund*innen erneut an und teilten uns mit, dass der Rote Halbmond (Kızılay) auf dem Feld angekommen sei, um Hilfe zu leisten, und dass sie selbst keine Erlaubnis von TR-Soldaten erhalten hätten, sich auf dem Feld aufzuhalten. Uns wurde klar, dass wir auch keine Erlaubnis bekommen würden, wenn der Rote Halbmond nicht die Erlaubnis erhalten hätte. Der Rote Halbmond war auf das Feld gekommen und verteilte Kleidung und Socken an die Menschen, bevor die Behörden eingriffen.
Als wir auf dem Dorfplatz ankamen, bemerkten wir zwei Boote, die auf einen Anhänger geladen waren. Wir hatten die Gelegenheit, mit den Dorfbewohnern zu sprechen. Sie sagten uns, dass es ihre eigenen Boote seien und dass sie sie benutzen, um Geflüchtete herzubringen, manchmal umsonst und manchmal für 20-30 Lire. Die Person, die uns dies erzählte, gab an, dass sie von der Gendarmerie und anderen staatlichen Behörden eskortiert werden.
Sie informierten uns auch, dass bis zum Ende des Tages Hunderte von Geflüchteten von der griechischen Seite verprügelt und nackt zurückgebracht worden seien und dass viele Krankenwagen das Gebiet im Laufe des Tages verlassen hätten. Auf dem Weg dorthin sahen wir viele Busse in verschiedenen Größen, die leer ankamen und wieder voll abgefahren sind.
Wir fanden heraus, dass der Sammelpunkt der Geflüchteten zur Turkuaz-Tankstelle in Uzunköprü verlegt wurde und kehrten nach Uzunköprü zurück. Dort waren etwa 500 Migranten ohne Schuhe und die meisten von ihnen hatten gelbe Socken, die vom Roten Halbmond ausgegeben worden waren.
In der Zwischenzeit sprachen wir kurz mit einer Person, die sagte, dass sie mit dem Transport der Geflüchteten beauftragt sei. Sie sagten, dies sei ein guter Weg, um zu verhindern, dass Mittelsmänner davon profitieren, und es sei eine Möglichkeit für den Staat, einen festen Preis für den Transport der Geflüchteten zu gewährleisten. Zum Beispiel ist der Weg Edirne-Istanbul jetzt auf 60 TL festgelegt ist. Nach dem, was wir gesehen haben, waren es in den ersten Tagen bis zu 150 TL.
Dieselben Personen erzählten uns, dass einige Migranten, nachdem sie von der griechischen Grenze zurückgedrängt wurden, nach Istanbul zurückkehrten, bevor sie wieder nach Edirne gingen. Von dort aus versuchten sie erneut viele Male, die Grenze nach Griechenland zu überqueren.
Leider wurden wir von der Gendarmerie von dort vertrieben, die glaubte, dass unsere Küche nicht mehr benötigt würde und dass es besser wäre, wenn wir in die Stadt Meriç gingen. Wir mussten den Ort verlassen, bevor wir mit den Geflüchteten dort Kontakt aufnehmen und Verbindungen zu ihnen herstellen konnten.
Auf unserem Weg gab es zunächst keinen Kontrollpunkt. Aber als wir im Dorf Alibey ankamen, hielt uns ein Zivilfahrzeug an, und eine Person in Uniform sagte uns, dass wir den Ort sofort verlassen müssten. An der Stelle, an der wir angehalten wurden, standen 2 blaue Taxis mit 34-er Nummernschildern. Diese wurden nicht aufgefordert, den Ort zu verlassen. Wir glauben, dass die Person, die uns zum Verlassen des Ortes aufforderte, ein Soldat war. Die Dorfbewohner erzählten uns, dass unsere Freund*innen auf die gleiche Weise von einem anderen Soldaten aus dem Dorf Kiremitçisalih entfernt worden waren.
Wie wir am Morgen gehört hatten, war der Busbahnhof geräumt worden. Aber als wir gegen 10 Uhr abends dort ankamen, stellten wir fest, dass wieder viele Personen am Busbahnhof waren. Das lässt uns glauben, dass die Zahl der Neuankömmlinge in Edirne nicht abnimmt, während die Menschen aus Griechenland zurückgeschickt werden.
Nach einer langen Fahrt beendeten wir den Tag um etwa 2 Uhr morgens in einer Art Park zwischen den Dörfern Umurca und Masuhbey.
No Border Pazarkule/Edirne